Einige Zeit, nachdem die Sonne die Tiere geschaffen
hatte, begannen diese über die Formen und Eigenarten anderer zu spotten, was
großen Ärger, heftige Streitereien und erbitterte Kämpfe zur Folge hatte.
Schließlich begannen die einzelnen Tierfamilien einander zu töten. Voll Kummer
und Gram blickte die Sonnenmutter auf die Erde hinab und sah, wie die Geschöpfe,
die das Licht und die Wärme ihrer Strahlen ins Leben gerufen hatte, sich
gegenseitig vernichten wollten.
Sie rief den weisen Rat des großen All-Vaters zu Hilfe. "Ich glaubte, einen Plan
ins Werk gesetzt zu haben, der alles Leben auf Erden ordnet und regelt. Doch
unter den Pelztieren, den Vögeln, den Echsen und den Fischen fehlt eine ordnende
Vernunft. Wir müssen ein Wesen erfinden, das sie alle zu der ursprünglichen
Ordnung zurückführt.» Dann beschlossen Sonnenmutter und All-Vater, den Menschen
als Wächter dieser Ordnung einzusetzen.
Daraufhin kehrte die Sonne ein letztes Mal auf die Erde zurück und befahl den
Winden, in alle Richtungen zu wehen und den Lebewesen ihre Ankunft zu verkünden.
Die Winde gehorchten ihr und wirbelten und fegten in alle Himmelsrichtungen
davon. Sie tobten über das Meer und warfen gewaltige Wogen auf. Sie stürmten
über die Berge und schleuderten Steine und Felsbrocken herum. Furcht und
Schrecken verbreiteten sie unter den Tieren, die zusammenliefen, um sich eine
Zufluchtsstätte zu suchen, Sie versammelten sich in einer großen Höhle, wo sie
vor den tobenden Stürmen sicher waren. Die Sonne ging unter, und die Stürme
ließen nach. Zitternd vor Angst kauerten die Tiere in der Höhle.
Als die Sonne am folgenden Morgen ihr Licht über die Erde wandern ließ, war kein
Laut zu vernehmen. Die Tiere blieben in der Höhle, stumm und reglos vor Furcht.
Da näherte sich der Höhle ein heller Lichtschein. Ein alter Waran kroch zum
Höhleneingang und schaute vorsichtig nach draußen. «Was siehst du?» fragten die
anderen Tiere. «Ich sehe etwas Wundersames, ein leuchtendes Ungeheuer mit einem
riesigen Auge. Es ist so groß wie der Mond.» Dann sagte der Waran zum Adler.
«Schau du es dir an und sag uns, was dusiehst. Der Adler blickte hinaus und
erklärte: «Ich sehe eine Gestalt, die etwas größer ist als ein Känguruh. Ihre
Augen sind kleiner als die des Warans, aber sie leuchten hell, so hell, daß ich
unter ihrem Blick zittere! » Nun bat der Adler den Raben hinauszublicken, doch
der Rabe fürchtete sich zu sehr vor dem Ungeheuer und erfand eine Ausrede. Da
verspottete ihn der Königsfischer und lachte ihn aus.
Jeder wußte, daß der Rabe einer der besten Krieger war, und so wunderten sich
alle sehr, daß er nicht den Mut hatte, hinauszuschauen und auch den
Königsfischer nicht angriff, der ihn einen Feigling genannt hatte. Nach und nach
jedoch warfen alle Tiere einen scheuen Blick auf das fremdartige und
ehrfurchtgebietende Wesen, das vor ihrer Höhle den blendenden Lichtglanz
ausströmte. Niemand konnte es deuten. Drei Tage lang blieben die Tiere in der
Höhle. Drei Tage lang wuchsen in ihnen Hunger und Durst. Dann fielen die Starken
über die Schwachen her und aßen ihr Fleisch und tranken ihr Blut.
Da trat das Lichtwesen in den Eingang der Höhle und rief die Bachstelzen zu
sich. «Geht in die Höhle und verkündet allen Lebewesen, daß sie sich zu einem
Berg begeben sollen, um zu erfahren, wer ich bin!»
Die Tiere folgten dem Gebot traten aus der Höhle, sammelten Nahrung und begaben
sich zu dem Berg. Da sahen sie, daß sich im Westen, Osten, Norden und Süden vier
Säulen erhoben, die wie hohe Rauchfahnen aussahen. Dann begannen die Säulen sich
zu drehen und im Kreis über die Ebene auf sie zuzuwirbeln. Näher und näher kamen
sie an den Berg heran. Neue Furcht und neuer Schrecken verbreiteten sich unter
den Tieren, aber die Bachstelze beruhigte sie: «Fürchtet euch nicht. Es ist der
Urvater der Menschen, der sich nähert.» Die vier umherwirbelnden Säulen näherten
sich einander und vereinigten sich schließlich zu einer mächtigen Säule, die
eine Zeitlang stillstand. Sie sah nun wie eine Wassersäule aus, die langsam
niedriger und niedriger wurde. Dann näherte sie sich dem Berggipfel. Auf dem
Gipfel angelangt, nahm sie die Form eines riesigen Pilzes an. Ein Blitzschlag
spaltete diese Form und offenbarte den Tieren die Gestalt des ersten Menschen,
die der All-Vater mit seinen eigenen Gaben der Einsicht, des Verstandes, der
Vernunft und der Weisheit ausgestattet hatte. So betrat der erste Mensch die
Erde. Er stieg den Berg hinab und begab sich unter die Tiere, um mit ihnen zu
reden. Als die Sonnenmutter sah, daß ihr Werk vollbracht war, stieg sie zurück
in den Himmel. Danach kehrte sie nie wieder zur Erde zurück.
Zu Anbeginn gab es nur das große Salzwasser. Aus den Tiefen stieg Ungud, die
Regenbogenschlange, empor. Steil richtete sie sich auf und warf ihren Bumerang
in einem weiten Umkreis über das Meer. Mehrmals berührte der Bumerang auf seinem
Flug die Fläche des Salzwassers, und dort schäumte das Wasser auf, und glattes,
ebenes Land kam zum Vorschein. Ungud wanderte über dieses neue, weiche Land und
legte viele Eier, aus denen neue Urzeitwesen schlüpften. Es waren die Wondjina,
und sie wanderten in alle Richtungen. |