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Eisenerzmine bei Tom Price, WA |
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Die ungebremste Nachfrage nach Ressourcen in
China hat in der australischen Rohstoffindustrie einen seit Jahren
nicht mehr gesehenen Wachstumsschub ausgelöst. Dem-entsprechend
ziehen die Preise an.
Es ist nicht einfach, mitten in der westaustralischen Wüste
zu leben. Glühende Hitze am Tag, beissende Kälte in der
Nacht, wenig Infrastruktur, Langeweile, Millionen von
Fliegen. Trotzdem reisen hunderte Australier aus dem Osten
des Landes in die isolierten Gegenden des Westens, um ihr
Glück zu finden. Eine Arbeitsstelle in einer der vielen
Minen kann einen Mann – und immer häufiger auch eine Frau –
innert relativ kurzer Zeit ziemlichen Wohlstand bringen. Die
Zahl neuer Minenprojekte wächst laufend. Der Arbeitsmarkt
aber ist derart ausgetrocknet, dass selbst die einfachsten
«Jobs» mit Gehältern entlöhnt werden, von denen man in
anderen Industrien nur träumen kann.
Wachsende Mittelschicht
Der Grund für den Boom in der australischen Bergbauindustrie
liegt tausende von Kilometern entfernt - in China. Dort
lechzt eine rapide wachsende Mittelschicht buchstäblich nach
Konsumgütern. Ob Waschmaschinen, Klimaanlagen oder Autos:
australische Rohstoffe finden sich in fast allen Produkten.
Als einer der weltweit führenden Förderer von Basis- und
Edelmetallen, von Kohle, Gas, Erdöl und Mineralsand, kann
Australien fast alle Stoffe anbieten, die China braucht. Für
einmal ist auch die isolierte geografische Lage des
Antipodenkontinents ein Plus. China liegt in Asien, und
damit quasi vor der Haustüre Australiens. Entsprechend tief
sind die Transportkosten; deutlich niedriger jedenfalls, als
wenn Frachtschiffe die Rohstoffe aus entfernteren
Weltgegenden wie Südafrika oder Südamerika holen müssten.
Rohstoffe weiter wichtig
Australien lebt zu einem wesentlichen Teil vom Export. Der
Gesamtwert der ausgeführten Waren und Dienstleistungen lag
im Jahr 2003 bei rund 120 Mrd. US-Dollar. Gingen früher fast
alle Produkte ins ehemalige «Mutterland» Grossbritannien,
sind heute die Vereinigten Staaten und die Länder Asiens die
wichtigsten Abnehmer. Obwohl in den letzten Jahren der
Verkauf von Dienstleistungen in der Handelsbilanz an
Bedeutung gewonnen hat, ist die Ausfuhr von Rohstoffen nach
wie vor eine der wichtigsten Quellen von Exporteinkommen.
Die rapide steigenden Nachfrage nach Ressourcen jeder Art
hat in der Rohstoffindustrie einen seit Jahren nicht mehr
gesehenen Wachstumsschub ausgelöst. Fanden sich als Folge
der asiatischen Finanzkrise in den neunziger Jahren viele
Ressourcenunternehmen in einer Senke, hauchte ihnen der
China-Boom neues Leben ein. Nicht nur kleinere Firmen,
sondern vor allem die Giganten der Industrie – BHP Billiton
und Rio Tinto - investieren Milliarden Dollar in Projekte,
um die Nachfrage befriedigen zu können. Rio Tinto baut
derzeit für 290 Mio. US-Dollar ihre Eisenerzminen in der
Wüste Westaustraliens aus.
Massive Projekte
Dass solch hohe Investitionen in Eisenerzminen fliessen,
erstaunt nicht. Ein Drittel der Eisenerzexporte der Welt
geht derzeit nach China. Der Basisstoff für Stahl, aber auch
die Kohle, mit der er geschmolzen wird, haben sich zu den
Treibern der australischen Ressourcenindustrie entwickelt.
Ein Teil des australischen Rohstoffs endet in der Form von
Baustahl in der Nähe von Schanghai, wo massive
Infrastrukturprojekte realisiert werden; unter ihnen ein
Sportstadion, eine Untergrundbahn und ein Bahnhof. Obwohl
die chinesische Regierung vor kurzem Massnahmen angekündigt
hatte, um die Konjunktur etwas zu bremsen, ist laut Auskunft
australischer Geschäftsleute wenig zu spüren von einer
Abschwächung der Nachfrage. Das zeigen auch die chinesischen
Handelsstatistiken: im März sind die Nettoimporte von
Kupferkonzentrat um 56 Prozent gestiegen, von Aluminium um
45 und von Eisenerz um 25 Prozent.
«Verkäufermarkt»
Dieser «Verkäufermarkt» erlaubt es australischen Firmen wie
BHP Billiton und Rio Tinto, die Preise weitgehend zu
bestimmen. Vor kurzem meldeten sie, für Eisenerz
Preiserhöhungen von 71,5 Prozent ausgehandelt zu haben. Doch
die aggressiven Forderungen der Australier stossen bei den
chinesischen Abnehmern immer mehr auf Widerstand, sagen
Marktbeobachter. China wolle von den Australiern weniger
abhängig werden und suche nach Alternativen. Eine ist Indien,
für China schon heute ein wichtiger Lieferant von Eisenerz.
Doch wie die meisten anderen Anbieter leiden auch indische
Firmen unter dem wohl entscheidensten Wettbewerbsvorteil,
den die grossen Minen in Australien haben: sie gelten als
die kosteneffizientesten Rohstoffproduzenten auf dem Globus.
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