Eine der wichtigsten rechtlichen Fragen der
letzten Jahre hat sich um die Problematik der Ansprüche der Aborigines auf Grund und
Boden gedreht. Die Thematik erlangte erstmals in den sechziger Jahren mit der Zunahme des
Aktivismus seitens der australischen Urbevölkerung Bedeutung. Gleichzeitig verlagerten
sich die rechtlichen Ansprüche dieser Bevölkerungsgruppe von der zunächst geforderten
Lohngleichheit mit Europäern hin zu Forderungen nach Landrechten über Gebiete mit
besonderer religiöser, kultureller, geschichtlicher oder anderweitiger Bedeutung. Die
Regierung von South Australia unternahm nach der Mitte der sechziger Jahre Schritte in
diese Richtung, während die Bundesregierung 1976 den so genannten Aboriginal Land Rights
Act erließ, der das Northern Territory betraf. Hierbei handelte es sich jedoch nur um
kleine Zugeständnisse. In den achtziger Jahren nahm der Widerstand innerhalb der
bundesstaatlichen Regierungen und insbesondere den Bergbaugesellschaften gegenüber den
Forderungen der Aborigines zu.
Die Interessenverbände der Aborigines blieben jedoch weiterhin aktiv. Im August 1985
legte die Bundesregierung Gesetzentwürfe vor, die der australischen Urbevölkerung das
unveräußerliche Besitzrecht auf Nationalparks, unbebautes Land und frühere Reservate
der Aborigines übertrugen. Im Oktober desselben Jahres wurde der Fels Uluru, eher unter
der europäischen Bezeichnung Ayers Rock bekannt, offiziell der Gemeinde Mutijulu unter
der Bedingung übergeben, dass auch weiterhin der Zugang zu diesem riesigen Monolith
gewährleistet sei.
Infolge starker Einwände seitens der Bergbaugesellschaften und der Staaten, die
traditionsgemäß schon immer ihre Landpolitik individuell gestalten konnten, verwarf der
Bund die geplante Gesetzgebung, was zu Protesten der Führungspersönlichkeiten der
Aborigines führte. Dieser Rückschlag für die Aborigines traf in den späten achtziger
Jahren zeitgleich mit Skandalen hinsichtlich der unverhältnismäßig hohen Sterberaten
von inhaftierten Aborigines und dem Vorwurf der Korruption zusammen, der der Behörde für
Angelegenheiten der Aborigines galt. 1988 veröffentlichten die Vereinten Nationen einen
Bericht, der Australien beschuldigte, durch die Art und Weise der Behandlung der
australischen Urbevölkerung gegen die internationalen Menschenrechte zu verstoßen. Ein
Bericht einer königlichen Kommission, der im Mai 1991 mit der Zielsetzung angefertigt
wurde, die Todesfälle von Aborigines in polizeilichem Gewahrsam genauer zu untersuchen
und zu hinterfragen, enthielt Beweise für rassistisches Verhalten der Polizeikräfte und
beinhaltete über 300 Empfehlungen zur Verbesserung des
interethnischen Verständnisses und des Selbstbestimmungsrechtes der Aborigines. Im Juni
untersagte die Regierung dauerhaft sämtliche Bergbauaktivitäten an einer historischen
Stätte der Aborigines im Northern Territory.
Ein Jahr später erkannte der Oberste Gerichtshof im Juni 1992 in einem Präzedenzfall das
Bestehen von Ansprüchen auf Land vor der ersten Besiedlung durch die Europäer im Jahr
1788 an. Das so genannte Mabo-Urteil" besagte, dass es Aborigines und Bewohnern
der Inseln in der Torresstraße möglich sein sollte, ihren Rechtsanspruch auf Grund und
Boden als Urbewohner geltend zu machen, sofern sie in der Lage seien, eine enge und
dauerhafte" Beziehung mit dem zur Diskussion stehenden Gebiet nachzuweisen. Dieser
Beschluss entkräftete das Konzept der terra nullius, also des besitzerlosen Landes, das
zur Abweisung von vielen, zu einem früheren Zeitpunkt von Aborigines eingebrachten
Ansprüchen auf Land geführt hatte. Gleichzeitig bedeutete dies auch, dass fortan das
Anspruchsrecht auf Land nicht nur auf dem australischen Gesetzesrecht fußte, sondern dass
sowohl die Aborigines als auch die Bewohner der Inseln in der Torresstraße als
eigentliche und ursprüngliche Eigentümer des Kontinents anerkannt wurden. Allerdings
sollte das Mabo-Urteil nicht mit den rechtmäßigen Rechtstiteln auf Land seitens der
europäischen und anderen Siedler und deren Nachkommen kollidieren. 1993 ratifizierte die
Bundesregierung den so genannten Native Title Act, der durch die Errichtung eines
Bundesgerichts zur Gültigkeitserklärung bereits bestehender Rechtstitel auf Land die
beiden unterschiedlichen Rechtsprechungsaspekte in Einklang bringen und
Entschädigungszahlungen leisten sollte, sofern die Ansprüche der Aborigines für bereits
erloschen erklärt wurden. Es wurden vorläufig eine Million US-Dollar für
Entschädigungszahlungen aufgewendet.
Die meisten Staaten übernahmen eine mit dieser Regelung zu vereinbarende Gesetzgebung,
mit Ausnahme von Western Australia, wo die Interessen der Bergbaugesellschaften besonders
stark vertreten sind. Man schätzt, dass bis zu 40 Prozent des gesamten Staatsgebiets
letztendlich infolge der Ansprüche im Rahmen des Native Title Act an Aborigines
zurückgegeben werden müssten. Die Regierung von Western Australia hat ganz im Gegenteil
sämtliche Regelungen hinsichtlich der Rechtsansprüche von Ureinwohnern abgeschafft und
sieht jetzt nur noch Rechte auf traditionelle Nutzung" des Landes vor. Western
Australia prozessierte vor dem Obersten Gerichtshof gegen die Regierung des Bundes und
stellte die Rechtskraft des aus dem Jahr 1993 stammenden Beschlusses in Frage. Am 16.
März 1995 beschloss das Gericht, dass der Native Title Act volle Rechtsgültigkeit
besitze und erklärte die gegensätzliche Gesetzgebung von Western Australia für
verfassungswidrig. |